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Authentizität ist gefährlich

Das Thema Authentizität beschäftigt mich seit meiner Jugendjahre.

Es war etwas Erstrebenswertes, ein Kompliment. Authentische Menschen habe ich immer bewundert.


Allerdings ist Authentizität keineswegs etwas ausschließlich Positives. Es ist ein wertneutraler Begriff. Denn sie hat negative Seiten.


👉 Nicht alles was authentisch ist, ist zwangsweise gut. Weder für uns noch für unser Umwelt.


Vielmehr ist unsere Romantisierung von Authentizität gefährlich. Denn dadurch rechtfertigen wir impulsives und un-empathisches Verhalten.

Das ist mir erneut in einer Therapiesitzung bewusst geworden.


🗯 Oftmals reagiere ich emotional und impulsiv auf Ereignisse. Ich tue meine Gefühle kund und lasse andere ungefiltert wissen, was ich denke. Besonders in Gesprächen mit Menschen, die mir nahe stehen – sei es meine Freundin oder meine Familie.


„Toll, wie authentisch!“


Bedingt. Denn oftmals bereue ich meine Reaktionen rückblickend. Besonders abends, wenn ich diese Momente mit Distanz Revue passieren lassen kann. So wirklich authentisch kann mein Verhalten also nicht gewesen sein. Doch warum?


Meine Therapeuten hat es folgendermaßen ausgedrückt:

„Gefühle lieben sich selbst. Sie denken von sich, dass sie im Recht sind und drängen sich in den Mittelpunkt. Dadurch wird unsere Wahrnehmung verklärt. Dann reagieren wir nicht auf den tatsächlichen Moment, sondern auf unsere momentanen, impulsiven Gefühlsregungen.“


Handel ich impulsiv und meinen Gefühlen entsprechend, dann fühle ich mich in diesem Moment authentisch. Dabei ist mein Handeln meist das Gegenteil. Denn durch meine Emotionen kann ich eine Situation nicht so sehen, wie sie wirklich ist.


👉 Authentizität ist keine Konformität mit situativen Emotionen, sondern mit den eigenen Werten. Und impulsives, emotionales Verhalten ist in den wenigsten Fällen werte-konform.


Was also machen? Gefühle runterschlucken?

Nein. Lediglich etwas Zeit verschaffen zwischen Ereignis und Reaktion. Dadurch klingen die Gefühle ab und wir können die Situation so sehen, wie sie wirklich ist. Das braucht Stärke sowie Selbstreflexion und fällt mir unfassbar schwer.


👉 Warum erzähle ich das?

Auf LinkedIn finden sich viele negative Beispiele für impulsives Handeln (vermeintliche Authentizität): Meinungen werden lauthals "rausgeschrieben" und andere Personen angefeindet. Dabei handelt es sich meist nicht um schlechte Menschen. Vielmehr fehlt die nötige Selbstreflexion.


Social Media macht es uns hier schwer durch:

- Anonymität

- Interagieren mit Online-Profilen statt mit Menschen

- Ausbleiben von direkten Reaktionen


Was ich anderen sowie mir selbst wünsche:

Stärke, einen zeitlichen Abstand zwischen Ereignis und Reaktion zu schaffen.


💭 Authentizität ist nicht immer positiv. Und impulsive Handlungen nicht immer authentisch. Daher ist es wichtig, vor dem nächsten Satz oder Kommentar kurz inne zuhalten.

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