Seit 3,5 Jahren lebe ich in Brasilien - dabei war das nie der Plan...
- svenfraede
- May 6, 2024
- 2 min read
2018 - Mein Zimmer sieht aus wie ne Berliner Litfaßsäule: Jede Wand ist vollgeklebt mit Weisheiten, Bilder von tollen Karossen und Motivationssprüchen. Meine Devise: Erfolg(reich) werden.
April 2019 - Vor mir liegt ein Vertrag für eine Festanstellung. Gutes Gehalt, 2 Tage Home Office pro Monat, 30 Urlaubstage, Weihnachtsgeld und Obstkorb. Was will der Mensch mehr?
Aber während mich meine Studienkollegen beneiden, bin ich super unzufrieden. Heruntergelassene Jalousien im Sommer, flackernde Neonlichter und morgendlicher Stau. Ist es das, wie ich die nächsten Jahre verbringen will?
🕺 Noch am selben Tag bewerbe ich mich für einen Entertainment Job auf den Kapverden. Kasper spiele kann ich. 5 Wochen später sitze ich im Flieger; aber nur 3 Monate später kündige ich auch diesen Job und sitze wieder im Flieger zurück.
Zwar habe ich Neonlichter gegen Plamen getauscht, aber trotzdem war ich wieder in einer Routine gefangen. Also sitze ich im Kinderzimmer mit 3 gekündigten Jobs in 4 Monaten. Es wird Zeit für eine radikale Entscheidung.
⛺️ Juni 2019. Der Backpack ist gepackt - 1 Zelt, 4 T-Shirts, 2 Hosen, eine Jacke. Das Ziel: Einmal um die Welt hitchhiking. Und so verbringe ich die nächsten 6 Monate. Ich schlafe in verlassenen Gebäuden, an traumhaften Stränden und in den Wohnungen fremder Menschen.
Nie in meinem Leben wechseln meine Gefühle so schnell zwischen Verzweiflung und Euphorie. Aber alles in allem bin ich super glücklich. Bis es so kommt, wie es kommen muss - ich lerne eine Frau kennen, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekomme.
Nachdem eine Krankheit und die Anfänge der Pandemie meine Reise unterbrechen, beschließe ich, mit ihr zusammenzuziehen - in ihrem Heimatland Brasilien. 🇧🇷
Mittlerweile sind wir nicht mehr zusammen. Manche Lieben kommen und gehen. Aber meine Liebe zu Brasilien ist gewachsen. Deutsch weicht Portugiesich, das Brot dem Reis mit Bohnen, die verschneiten Berge dem heißen Atlantikstrand.
Ich schaue mir gerne die Bilder von früher an - vom Blondschopf mit schulterlangen Locken, einem verschlissenen T-Shirt und einem großen Grinsen auf dem Gesicht. Der Kontrast zu meinem heutigen Bild könnte krasser nicht sein und erschreckt mich teilweise.
Nichts von all dem war vorhersehbar, nicht in meinen wildesten Träumen oder Alpträumen. Heute bin ich Sven der Copywriter und Co-Founder. Und manchmal zweifel ich an dieser Rolle - so wie an jeder zuvor auch. Aber ich bin froh, dass alles genau so gekommen ist.
Denn ich weiß: Nichts hält für immer und Pläne sind nichts anderes als Sternenstaub - Ein verzweifelter Wunsch nach Kontrolle und Ordnung in einem Universum, in dem alles nach Entropie strebt.
Ob Brasilien für immer meine Heimat bleiben wird? Das kann ich euch dann am Ende meines Lebens sagen. Brasilien war nie mein Plan. Aber ich bin verdammt froh, dass ich heute eine neue Heimat habe, mit der ich nie gerechnet habe.
Man muss nicht wissen, wo man hin will, um irgendwo anzukommen.
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